Die erste Hälfte seines Lebens verbrachte der Amerikaner Pete Eckert als Sehender. Der gelernte Zimmermann interessierte sich für Industrial Design, Motorräder und Kampfsport. Sein Ziel: Ein Architekturstudium. Als bei ihm die Netzhauterkrankung Retinitis Pigmentosa diagnostiziert wurde, änderten sich seine Pläne aber radikal. Pete verlor nach und nach sein Augenlicht und musste sich neu orientieren.

Zur Fotografie fand Eckert erst als Blinder. Dabei war es ihm egal, dass er seine Motive nicht sieht. Sein Augenmerk liegt nämlich auf der Entstehung der Bilder. Mittlerweile ist Pete Eckert nicht nur ein angesehener Künstler, er realisierte sogar eine Kampagne für den Autohersteller VW.

«Ich bin ein visueller Künstler – ich kann es einfach nicht sehen», heisst es auf deiner Website. Wie entstehen denn deine Bilder?

Sehende Fotografen gehen normalerweise raus und suchen nach Bildern. Ich denke über eine Idee nach, entscheide, wie ich es machen werde, und erstelle dann das Bild. Normalerweise habe ich es so gut durchdacht, dass ich es so beschreiben kann, als ob es bereits existiert.

Du bist seit mehr als 30 Jahren blind. Gibt es noch viele visuelle Erinnerungen in deinem Kopf oder verschwimmen sie im Laufe der Jahre?

Ich habe viele Jahre daran gearbeitet, meinen optischen Apparat neu zu verdrahten. Ich verwandle alle Tonberührungen und verbalen Beschreibungen in «Augenbilder», indem ich die Daten aktiv an die Stelle sende, an der sich mein Sehzentrum befand. Ich habe diese Fähigkeit als Kampfkünstler geschärft und benutze sie heute, um damit zu navigieren. Ein Nebenprodukt dieser Neuverdrahtung ist, dass mein Unterbewusstsein jetzt aktiviert wird, wenn ich mich an Situationen aus meiner Zeit als Sehender erinnere. Ich sah die Welt früher so, als würde ich ein Gemälde betrachten. Jetzt als Blinder sehe ich die Welt aus verschiedensten Perspektiven wie eine virtuelle Realität. Der Klang wird ebenfalls verbessert. Das ist eigentlich ganz schön.

Wie ist es denn mit neuen Bildern, an die du keine Erinnerung hast?

Alle meine neuen Erinnerungen speichere ich ebenfalls mit einer passenden Vision. Das ist krass, oder? Ein völlig blinder Kerl, der sich visuell an Orte erinnert! Allerdings fehlen mir dann manchmal ein paar Details. Zum Beispiel habe ich keine klaren Erinnerungen an die Gesichter der Menschen, die ich nach dem Erblinden getroffen habe. Das kann manchmal ganz amüsant werden: Einer meiner Nachbarn veranstaltete früher gerne grosse Grillpartys mit seiner Familie. Es waren nette Leute, aber es wurde immer ziemlich laut. Um mich nicht darüber aufzuregen, habe ich sie alle in meinem Kopf in Cartoons verwandelt. Es ist schwer, sauer auf kleine Leute zu sein, die wie die sieben Zwerge aus Disneys Schneewittchen gekleidet sind…

Stehst du im Austausch mit anderen blinden Fotografen?

Ich bin Mitglied der Blind Photographers Guild. Wir sind eine kleine Gruppe. Bruce Hall, Alice Wingwall und Kurt Weston sind die anderen Mitglieder. Wir bleiben in Kontakt und stellen manchmal zusammen aus. Wir sind alle in einer Show namens Sight Unseen präsent, die seit 2009 auf Welttournee ist. Sight Unseen könnte als Beginn der Blind-Photography-Bewegung bezeichnet werden. Dadurch wurden die Kunsthistoriker auf meine Arbeit aufmerksam.

Weitere Bilder und Infos zu Pete Eckert findest du unter
peteeckert.com