Wie genau funktioniert eine ­Narkose, Herr Schliessbach?
Wir unterscheiden zwischen Voll- und Teilnarkosen, auch Regional­anästhesie genannt. Teilnarkosen funktionieren so, dass man Nerven eines bestimmten Körperteils durch Spritzen eines örtlichen Betäubungsmittels blockiert. So kann man beispielsweise einen ganzen Arm, ein Bein, auch nur eine Hand oder ­einen einzelnen Finger betäuben. Eine Vollnarkose bedeutet, künstlich eine Bewusstlosigkeit zu erzeugen. Dazu verwendet man eine Kombination aus starken Schlafmitteln, Schmerzmitteln und Medikamenten zur Muskelentspannung. 

Was macht ein Narkosearzt ­während der Operation? 
Wie gesagt, besteht eine Vollnarkose aus den Komponenten Schlaf, Schmerzbekämpfung und Muskel­entspannung. Die Kontrolle des Kreislaufs, der Atmung und überhaupt aller lebenswichtigen Körperfunktionen kommt dazu. All das muss während einer Operation durch den Narkosearzt laufend überwacht und nachjustiert werden. Die blosse Tatsache, dass ein Patient bewusstlos ist, heisst nicht, dass er unterbewusst in diesem Moment ­keine Schmerzen hat. Dabei spielen Art und Ausmass der Operation, aber auch Begleiterkrankungen des Patienten eine Rolle. Ein und dieselbe Operation, zum Beispiel am Hüft­gelenk, bedeuten für den jungen Profi-Hockeyspieler nicht die gleiche ­Narkosetechnik und das gleiche Risiko wie für den 80-jährigen ­Parkinson-Patienten. Die Kunst an der Narkose ist es, für jeden Patienten und für jeden chirurgischen ­Eingriff die am besten geeignete Narkosetechnik zu wählen, die korrekte Form der Überwachung aller lebenswichtigen Funktionen zu garan­tieren und dabei dem Chirurgen ­optimale Voraussetzungen für eine schonende Operation zu bieten. Und danach den Patienten gesund und möglichst schmerzfrei wieder wach werden zu lassen. 

Machen Sie Ihre eigenen Narkosemittel, wenn Sie operiert werden?
Wir machen Narkosemittel nicht ­selber. Vielleicht hätte ich aber Wünsche, was meine Narkosetechnik ­betrifft. Definitiv würde ich mir ­meinen Narkosearzt aber mindestens genauso sorgfältig aussuchen wie den Chirurgen, der mich operieren soll. 

Dr. med. Jürg Schliessbach ist Facharzt für Anästhesiologie FMH mit ­einer Zusatzausbildung in ­interventioneller Schmerzmedizin und leitet die Abteilung für interdisziplinäre Schmerztherapie des Universitätsspitals Zürich. Er betreibt seit ca. 13 Jahren Forschung im Bereich der Schmerz­entstehung, Schmerzchronifi­zierung und Messung von Schmerz sowie sensorischer Phänomene beim Menschen.