Frau Wehrle, Sie bieten jungen Frauen Beratung zum Thema Verhütung. Welche Fragen fallen am häufigsten?

Die meisten Frauen kommen mit einer relativ konkreten Vorstellung zu uns: Sie haben mit Kolleginnen gesprochen oder sich im Internet schlau gemacht. Letzteres ist aller­dings nicht immer zu empfehlen, da sich gerade in den Foren nicht immer verlässliche Infos finden. Bei der Verschreibung von kombinierten Präparaten klären wir vor allem das Thrombose-Risiko ab, danach steht eigentlich die Wahl zwischen sämtlichen Verhütungsmitteln offen.

Sind die Nebenwirkungen von hormonellen Verhütungsmitteln kleiner, wenn die Dosierung geringer ist?

Nicht unbedingt. Jeder Mensch reagiert aufgrund seiner individuel­len Ausstattung mit Hormon-Rezeptoren ganz unterschiedlich auf Hormone. Menschen, die sie nicht vertragen, reagieren auch auf geringe Dosierungen mit den entsprechenden Nebenwirkungen. Dennoch werben viele Hersteller mit der niederen Dosierung ihrer Produkte.

Wird die Pille für den Mann jemals auf den Markt kommen?

Ein marktreifes Modell liegt schon seit Jahren in den Schubladen der Pharmaindustrie. Allerdings scheint man sich wenig Profite zu erhoffen. Die Antibaby-Pille wurde in den Sechziger Jahren entwickelt, weil die Frauen dieses Produkt haben wollten, bei den Männern sieht das wohl anders aus. Grundsätzlich funktion­iert die Hormonelle Verhütung für den Mann sehr ähnlich wie jene für Frauen: Es wird auch ein Gelbkörperhormon (Gestagen) genutzt, durch welches die Spermienproduktion unterdrückt wird. Allerdings wird damit auch die Testosteronproduktion reduziert, welches den Männern per Spritze zugeführt werden müsste. In Teststudien hat man gesehen, dass ähnliche psychische Nebenwirkungen auftreten wie bei den Frauen. Zudem bleibt immer die Frage, ob eine Frau sich in Sachen Verhütung ganz und gar auf einen Mann verlassen würde, da die Schwangerschaft schluss­endlich immer noch Frauensache bleibt…

Dr. med. Lucia Wehrle ist Oberärztin der Klinik für Reproduktions-Endokrinologie des Universitäts­spitals Zürich